Rundbrief von Arne Herz zur aktuellen Situation Ukraine

Liebe Mitglieder, seit meinem letzten Brief an Sie und Euch sind nun schon wieder zwei Monate vergangen, die arbeitsreich waren und dahingeflogen sind. In dieser Zeit ist Putins Angriffskrieg mittlerweile in der elften Woche angekommen. Es ist bewundernswert, wie die Ukraine der vermeintlich militärischen Übermacht Russlands sich entgegen stellt in diesen Wochen und Putin seinem Ziel nicht wirklich näherkommt. Ich denke, wir alle wünschen der Ukraine, dass sie am Ende siegreich ist. 

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Und noch mehr dürften wir uns wohl wünschen, dass der Kanzler und die Bundesregierung nicht ständig bremst und zögert, sondern wie in den vergangenen Jahrzehnten mit Frankreich zusammen die europäischen Staaten anführt. So kann man sich nur zu oft schämen für diese Regierung und ihren Kanzler. Umso besser ist es, das Friedrich Merz in diesen Stunden in der Ukraine den Präsidenten und Andere trifft und sich mit eigenen Augen ein Bild macht.

Aber ich will eher einen kurzen Überblick über den Bezirk geben:

Inzwischen haben wir fast 6000 Flüchtlinge alleine in Charlottenburg-Wilmersdorf im Leistungsbezug der Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wie ich Anfang März schon angekündigt hatte, haben die Flüchtlinge aus der Ukraine unmittelbar einen Aufenthaltsstatus als Kriegsflüchtling gemäß § 24 Aufenthaltsgesetz und eine Aufenthaltserlaubnis von zunächst einem Jahr und damit Anspruch auch auf Geldleistungen und Unterbringung. Wir hatten bereits in den ersten Kriegstagen Flüchtlinge, die Unterstützung beantragen wollten und bis kurz vor Ostern über mehrere Wochen an jedem Tag etwa 300 Anträge und gut das Doppelte an Menschen im Rathaus und bei den Bearbeitern im Sozialamt. Seit der Zeit rund um Ostern ebbt der Zustrom an Neuantragstellern deutlich ab, sodass aber immer noch etwa 60-100 Flüchtlinge jeden Tag neue Anträge stellen.

Knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn haben wir im Festsaal des Rathauses zusätzliche 15 Bearbeiterplätze in Betrieb genommen und zwei Wochen drauf weitere 17 im Bürgersaal. Eine tolle Leistung der IT und des Facility Managements, über die wir sonst alle manchmal schimpfen.

Neben hauseigenen sowie 6 externen Nachwuchskräften helfen 4 Mitarbeitende des Jobcenters Charlottenburg-Wilmersdorf im Rahmen der Leistungssachbearbeitung befristet aus. Weitere Unterstützung erfolgt durch 6 interne Abordnungen von Mitarbeiter*innen und im Rahmen

von 12 weiteren Abordnungen von Mitarbeiter*innen anderer Behörden des Landes Berlins.

Neben den aus anderen Dienststellen abgeordneten Mitarbeiter*innen konnte die Leistungsgewährung für die Geflüchteten aus der Ukraine nur dadurch kurzfristig ermöglicht werden, weil alle Mitarbeiter*innen im Fachbereich 1 für materielle Hilfen im Amt für

Soziales zur Mitarbeit verpflichtet wurden. Dabei handelt es ich um knapp 70 Mitarbeitende.

Sie wurden aus einem anderen Fachbereich mit 6 Mitarbeitenden unterstützt. Zusätzlich übernahm die Soziale Wohnhilfe mit rund 20 Mitarbeitenden Aufgaben der Kundensteuerung im Eingangsbereich und für die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Koordination der Ehrenamtlichen, die bei uns im Haus eingesetzt sind, wurde durch die bei mir angesiedelte Freiwilligenagentur übernommen. Auch aus zwei weiteren Fachbereichen erfolgte eine Unterstützung mit insgesamt 5 Mitarbeitenden.

Insgesamt haben damit 104 Mitarbeitende aus dem Amt für Soziales bei der Bearbeitung der Leistungsanträge, der Unterbringung und in der Organisation von Ehrenamtlichen die Arbeit für die Geflüchteten aus der Ukraine ganz oder zeitweise unterstützt. Eine wirklich tolle Gesamtleistung der Kolleginnen und Kollegen, die auch wegen der Schicksale der Menschen natürlich zusätzlich an den Nerven zehrt.

Weitere Unterstützung habe ich von einem Personaldienstleister beschafft, der 14 Beschäftigte bei uns einsetzt, überwiegend für Übersetzungstätigkeiten, die wir für das gesamte Bezirksamt koordinieren. Mein Personalbereich hat die Beschaffung von zusätzlichem Personal auch für andere Abteilungen des Bezirksamtes übernommen, sofern wir von dort Anforderungen erhalten. Denn auch die anderen Abteilungen sind ja durch einige Zusatzaufgaben belastet. Das Schulamt beispielsweise durch die Einrichtung und Zuweisung zu Willkommensklassen für die schulpflichtigen Kinder, das Gesundheitsamt beispielsweise für Impfungen der Flüchtlinge, da nicht nur der Impfstatus gegen Corona sondern auch Masern und anderes für uns selbstverständliches in der Ukraine ein relativ geringer ist. Auch TBC ist dort noch ganz anders verbreitet.

Ich gebe diese Information über zusätzliches Personal an dieser Stelle so detailliert, weil es von außen neben der aktuellen Berichterstattung sicher nicht einfach ist, überhaupt zu erfassen, welche Dimensionen dahinterstecken.

Ebenfalls ab Mitte März habe ich ein Pagodenzelt vor dem Rathaus aufstellen lassen, damit die Flüchtlinge, die teilweise ab frühmorgens vor der Tür standen, ab sechs mit warmen und kalten Getränken versorgt werden konnten. Auch dieses wurde durch Ehrenamtliche getragen und durch meine Freiwilligenagentur organisiert. Es ist überhaupt großartig, wie sehr auch jetzt das ehrenamtliche Engagement in der gesamten Stadt unterstützt und wie viele Menschen bereit sind, ihre Hilfe und Einsatz in ganz vielfältiger Weise einzubringen.

Der Schaustellerverband Berlin hat dann nach kurzer Absprache zwischen dem Vorsitzenden Michael Roden und mir kurz vor Ostern 1000 Teddybären geschenkt, die einen Aufkleber mit den Worten „Willkommen in Berlin“ auf Ukrainisch enthielten. Wir haben diese mit Freuden in Empfang genommen und sie seitdem schon an die Kinder aus der Ukraine verteilt. Wenigstens eine kleine Geste, die es schaffen soll, dass wir für einen kurzen Moment zumindest leuchtende Augen produzieren bei Kindern, die alles verloren haben und wahrscheinlich am wenigsten verstehen, was ihnen und ihren Eltern grade passiert. Zwischenzeitlich haben wir weitere Tedddybären bestellt. Diesmal, weil beispielsweise im Medibus von Detlef Wagner’s Abteilung weiterer Bedarf für die Kinder besteht.

Das Eine ist, was wir aus ganzer Kraft in unserer jeweiligen beruflichen Aufgabe machen, aber die weitere Seite ist die der Menschlichkeit. Und die zeigt diese Stadt und der Bezirk in diesen Zeiten besonders. Aus der alten Frontstadt, der andere über Jahrzehnte geholfen haben, ist nicht erst jetzt zum wiederholten Male eine Stadt des Willkommens geworden.

Ich will nicht verschweigen, dass sich der Senat in manchen Fragen der vergangenen Wochen erst langwierig organisiert hat und in Entscheidungen teilweise zu langsam war und sogar in einer Frage gegen fast alle Sozialstadträte gestellt hat. Ihr und Sie konnten in den Medien verfolgen, dass der Bund und die Länder kurz vor Ostern beschlossen haben, dass die Flüchtlinge ab Juni nicht mehr Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG), sondern nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) erhalten sollen. Dafür gibt es sicherlich gute fiskalische Gründe, denn die Leistungen nach AsylBLG finanzieren die Länder selber und die aus dem SGB II zu 75 % der Bund.

Das SGB II gewährt auch geringfügig höhere Leistungen und hat einige weitere Aspekte.

Aber der Knackpunkt ist, dass damit nicht mehr die Sozialämter, sondern die Jobcenter zuständig sind. Und auch dafür bedarf es einer Gesetzesänderung des Bundes, die derzeit erarbeitet wird. Warum wir uns dagegen entscheiden hatten? Weil damit alle Flüchtlinge neue Anträge stellen müssen beim Jobcenter und dann ab Juni plötzlich aus den grade gewohnten Bahnen wieder an eine andere Stelle verwiesen werden. Wenn man auch dafür eine Gesetzesänderung braucht, hätte man unter Beibehaltung der bisherigen Verfahren die anderen finanziellen wie organisatorischen Herausforderungen mit dem Bund klären können, ja sollen. Der Landesvorstand der CDU hat auf seiner Klausurtagung Anfang April deswegen eine solche Veränderung abgelehnt und damit die Sozialstadträte unterstützt. Für dieses Signal sind wir alle sehr dankbar. Die Regierende hat das nicht interessiert.

Dass die Durchführung momentan nach weiterem Chaos aussieht durch Bund und Länder und zur Hängepartie für viele Flüchtlinge werden kann, will ich gar nicht weiter beschreiben. Die CDU-Sozialstadträte sind dazu im Austausch mit unseren Bundestagsabgeordneten und dem Senat und versuchen, das noch abzuwenden, was Bund und Länder bisher angerichtet haben.

Denn am Ende sollte immer der Mensch uns in unserem Wirken leiten und dessen Interesse im Mittelpunkt stehen, wenn wir nach Lösungen suchen. Menschen, die ihre Heimat und Hab und Gut vorerst verloren haben, die Bomben und Tote erlebt und überlebt haben, die um Familienangehörige und das Überleben Ihrer Nation bangen, sollten Sicherheit spüren und zur Ruhe kommen können und dürfen und nicht von Politik und finanziellen Interessen geleitet zum Spielball gemacht werden. Dafür arbeiten wir alle in den Bezirken und im Land gemeinsam mit den vielen Ehrenamtlichen jeden Tag und versuchen, genau diesen Blick für Menschlichkeit und den einzelnen Menschen zu leben.

Damit will ich schließen, mich für die vom Kreisverband vor Ostern unterstützte Spendenaktion bedanken und hoffe, trotz der Fülle informative Einblicke gegeben zu haben. Glauben wir weiter an die Ukraine und den Kampfes- und Überlebenswillen der Ukrainer und unterstützen sie mit ganzer Kraft und beten wir für Frieden in Europa.

Herzliche Grüße

Ihr

Arne Herz

Bezirksstadtrat für Soziales

 

Den Rundbrief als PDF finden Sie hier.

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